Fahrlässiges Fernbleiben vom Dienst: Urlaub ohne Urlaubsschein – Beförderungsverbot
Der Sachverhalt in Kürze
Ein Stabsunteroffizier blieb vom 15. bis 21. Juni 2021 unerlaubt dem Dienst fern. Er nahm stattdessen Urlaub in Frankreich – in dem Glauben, sein Urlaubsantrag sei genehmigt worden. Tatsächlich fehlte es an einem dokumentierten Antrag; in der gesamten Genehmigungskette (Zugführerin, Geschäftszimmer, Kompaniefeldwebel, Kompaniechef) gab es keine Erinnerung oder Unterlagen. Der Soldat wurde zunächst vom Truppendienstgericht freigesprochen – es bestand nach dessen Auffassung ein „restzweifelhaftes“ Szenario eines möglicherweise untergegangenen Antrags.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft legte Berufung ein – mit Erfolg.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Der 2. Wehrdienstsenat hob den Freispruch auf und verhängte:
- ein Beförderungsverbot von 12 Monaten,
- eine Kürzung der Dienstbezüge um 1/20 für denselben Zeitraum.
Die Entscheidung berücksichtigt dabei sowohl das fahrlässige Verhalten als auch mildernde Umstände und eine Verfahrensverzögerung.
Die maßgeblichen Erwägungen des Gerichts
1. Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung
Das Gericht kam nach eingehender Gesamtwürdigung zu dem Schluss, dass kein Urlaubsantrag gestellt worden war. Besonders gewichtet wurde:
- das Fehlen jeglicher Nachweise (kein Antrag, keine Kopie, keine Bestätigung),
- widerspruchsfreie Aussagen mehrerer Zeugen über die zuverlässige Dienstablauforganisation,
- die Tatsache, dass auch nach intensiver Suche keine Spuren eines Antrags auffindbar waren,
- sowie das Fehlen eines stimmigen Ablaufs zur Antragstellung durch den Soldaten.
Das Gericht betonte, dass der sogenannte Zweifelssatz nicht auf rein spekulative Möglichkeiten gestützt werden darf.
2. Fahrlässigkeit statt Vorsatz
Ein vorsätzliches Fehlverhalten verneinte das Gericht: Der Soldat sei davon ausgegangen, dass der Antrag mangels Ablehnung genehmigt worden sei. Dieser Irrtum führte jedoch nicht zum Freispruch – denn er hätte sich um Klarheit bemühen müssen. Die Richter sahen eine doppelte Fahrlässigkeit:
- Unterlassene Antragstellung,
- fehlende Nachfrage zur Genehmigung.
Somit lag ein Dienstvergehen nach § 23 SG vor.
3. Maß der Disziplinarmaßnahme
Das Gericht stellte klar:
- Bei fahrlässigem unerlaubtem Fernbleiben bildet ein Beförderungsverbot die Regelmaßnahme – nicht etwa eine Degradierung.
- Das Verhalten des Soldaten war pflichtwidrig, jedoch nicht charakteristisch für ihn.
- Die Konsequenzen für den Dienstbetrieb waren gering.
- Mildernd wirkten auch Reue, Einsicht und eine positive dienstliche Gesamtentwicklung.
- Die überlange Verfahrensdauer von sechs Monaten wirkte sich ebenfalls strafmildernd aus.
Warum diese Entscheidung bedeutsam ist
Zusammenfassung
Dieses Urteil bietet Orientierung für ähnliche Fälle im Bereich Wehr- und Disziplinarrecht. Es verdeutlicht, dass auch gut integrierte Soldaten bei Nachlässigkeit mit spürbaren Sanktionen rechnen müssen – selbst ohne Vorsatz. Zugleich wird betont, dass rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze wie der Zweifelssatz nicht als Freifahrtschein für lückenhafte Erinnerungen gelten.In dubio pro reo bedarft echter Zweifel!
Für alle Angehörigen der Bundeswehr zeigt die Entscheidung, wie wichtig formgerechte Antragstellungen und eine saubere Kommunikation sind – besonders in Zeiten organisatorischer Veränderungen wie Amtshilfe-Einsätzen.
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Ob als Soldat, Beamter oder Vorgesetzter – Disziplinarverfahren sind komplex, ihre Folgen tiefgreifend. Dieses Urteil zeigt: Ein kleiner Formfehler kann schnell zu einer gravierenden Maßnahme führen.
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