Schadensersatz nach Busunfall: Was das OLG Schleswig über Fahrerfehler und Fahrgastpflichten sagt

Der Fall

Der öffentliche Verkehr kann manchmal ziemlich unübersichtlich sein. Ein Fall vor dem OLG Schleswig vom 25.04.2023 (Aktenzeichen 7 U 125/22) zeigt, wie komplex auch die Frage der Verantwortung sein kann, wenn ein Fahrgast bei einer Notbremsung zu Schaden kommt. In diesem Artikel untersuchen wir die Details des Falles, in dem eine 82-jährige Frau durch einen Sturz im Bus schwer verletzt wurde.

Der Fall ereignete sich an einem regnerischen Winterabend, als eine 82-jährige Frau mit dem öffentlichen Linienbus nach Hause fuhr. Sie stand auf, um auszusteigen, hielt sich mit einer Hand an einer Stange fest und hielt ihre Tasche und einen Regenschirm in der anderen Hand. Der Busfahrer sah eine Fußgängerin zu spät und musste eine Notbremsung durchführen, um eine Kollision zu vermeiden. Während der Notbremsung verlor die Frau das Gleichgewicht und stürzte, wobei sie mehrere Knochenbrüche erlitt und in der Folge dauerhaft in einem Pflegeheim untergebracht werden musste.

Das OLG Schleswig urteilte, dass Fahrgäste nur dann Anspruch auf Schadensersatz haben und sie ein Mitverschulden dann nicht trifft, wenn sie sich jederzeit einen festen Halt verschaffen, sodass es durch typische oder zu erwartende Bewegungen des Busses nicht zu Stürzen kommen kann. Dies hatte die 82-jährige Frau vorliegend nicht getan, weil sie sich nur mit einer Hand an einer Haltestange festgehalten habe. Daher habe sie sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen zu lassen.

Allerdings liege hier auch ein Fahrfehler des Busfahrers vor, der die bestehende Betriebsgefahr noch gesteigert habe, indem er die Fußgängerin zunächst übersehen hat. Deshalb habe kein normales Bremsen stattgefunden, sondern eine Notbremsung. Diese Notbremsung sei ein außergewöhnliches Ereignis, sodass hier gleichwohl ein Schadensersatzanspruch der 82-jährigen Frau gegeben ist.

In diesem speziellen Fall hafteten die Beklagten grundsätzlich gesamtschuldnerisch für die einfache Betriebsgefahr und auch für den Verkehrsverstoß des Fahrers, da die Notbremsung kein normaler Bremsvorgang war, sondern die Folge eines Verkehrsverstoßes.

Ergebnis

Interessanterweise wurde der Frau ein erhebliches Mitverschulden angerechnet, da sie sich nicht ausreichend festgehalten hatte. Die Richter stellten fest, dass es in ihrem Alter ihre Pflicht gewesen wäre, sich mit beiden Händen festzuhalten oder sitzen zu bleiben, bis der Bus die Haltestelle erreicht hat, um bei abrupten Fahrt- oder Bremsbewegungen das Gleichgewicht zu halten. Dieses Mitverschulden der Frau verdränge die Gefährdungshaftung aus der einfachen Betriebsgefahr des Busses vollständig und bei einem Fahrfehler – wie hier – zur Hälfte.

Fazit

Die rechtlichen Aspekte solcher Fälle sind komplex und erfordern eine sorgfältige Analyse und Bewertung. Bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen und Schadensersatzansprüchen kommt es auf die Einzelfallumstände an.

Im Grundsatz ist also so, dass der Fahrgast, der sich nicht richtig festhält, zunächst einmal selbst schuld ist und keinen Schadenersatz fordern kann, es sei denn, es ist zu einer außergewöhnlichen Verkehrssituation gekommen und ein Fahrfehler des Fahrers hat zu dem Sturz des Fahrgastes zusätzlich beigetragen.

Wenn Sie in einer ähnlichen Situation waren oder sind, sollten Sie rechtlichen Rat einholen.

Quelle der Entscheidung: Entscheidung des OLG Schleswig vom 25.04.2023, oder: Direktlink zur Entscheidung des Gerichtes.